In eigener Sache und drumherum
feminIEsta plant für das laufende Studienjahr eine Reihe an Diskussionsveranstaltungen. Wir beginnen mit einem von Julia Günther inhaltlich gestalteten Treffen zum Thema „Sexualität/en in Indien“. Nähere Infos gern auf Nachfrage bei feminiesta@univie.ac.at
feminIEsta-Aktivist_innen haben im Sommer Bücher herausgebracht! Und zwar:
- Isa Garde: Cripping Development? Ambivalenzen „Inklusiver Entwicklung“ aus crip-theoretischer Perspektive. Frankfurt/Main u.a.: Peter Lang 2015
- Hanna Hacker: Frauen* und Freund_innen. Lesarten „weiblicher“ Homosexualität, Österreich 1870-1938. Wien: Zaglossus 2015
Natürlich waren wir auch an den Veranstaltungen von und mit Angela Davis (Uni Wien u.a.) beteiligt. Zum Nachhören z.B. auf https://www.youtube.com/watch?v=XTsGpUM357I und freshzine.at/2015/10/06/lecture-by-angela-davis-in-vienna-life-between-politics-and-academia/
Flüchtlingspolitiken: white charity@refugeeswelcome? #feminIEsta queering willkommenskultur
Anfang September haben wir an dieser Stelle eine dringende Notiz eingeschoben, in der neben aktuellen Links zu Refugees-Support-Initiativen die Hoffnung formuliert war, „bald wieder Zeit und Raum zu haben für eine Diskussion z. B. über die Ambivalenzen der so berührenden Refugee-Kinderfotos, der kollektiven Orientierung an ‚Familien(zusammenführung)‘ im Flucht-Aktivist_innen-Kontext und der Trennung in ‚gutes, hilfbereites Österreich‘ vs. ‚böses, menschenfeindliches Ungarn‘.“ Ist mittlerweile Zeit dafür, und diskursiver Raum? Ein wenig?
Terminkalender überborden bereits mit Podiumsdiskussionen zum Thema, die ersten Calls für Sammelbände und Konferenzen aus aktuellem Anlass erreichen uns, und hin und wieder geht es dabei auch um Gender- und/oder feministische Perspektiven. Deutschsprachig, aktuell, beispielsweise: LEFÖ; Feministische Studien, Überblicke auch beim Blog Denkwerkstatt.
Nicht alle Flüchtenden/Vertriebenen/Reisenden verorten sich heteronormativ und gendernormativ: In den Medien taucht diese Erkenntnis nun schon gelegentlich auf, als vereinzelte Meldung, als tendenziell spektakulär dargebrachte Story. Ohne die Arbeit von queer-, schwulen-, trans- und lesbenpolitischen Initiativen gäbe es diese Erwähnungen wohl gar nicht. Allerdings steht im Zentrum der Berichte sehr regelmäßig die einzelne „betroffene“ Person (ein schwuler Mann, eine Trans-Person), das leidende Opfer. Muss erst noch begründet werden, warum diese repetitiven Viktimisierungsgeschichten in feministischer, queerer, postkolonialer Lesart massives Unbehagen erzeugen? Sie verschieben homophobe Gewaltverhältnisse (die zu verletzen, zu unterdrücken, zu töten vermögen) in die „Fremde“, zu den „Anderen“ und/oder zu einzelnen Täter_innen „hier“, die eben nicht ausreichend aufgeklärt empfänden und handelten.
Die Rede von den „jungen, gut gebildeten Männern“, die derzeit mehrheitlich in Österreich und Deutschland „ankommen“ und die „unsere Gesellschaft“ doch bestens gebrauchen könnte, setzt die Marginalisierung von weiblichen, von älteren, von nicht-ablebodied, auch sonst nicht-perfekt-„passenden“ Refugees fort: Ansätze zu dieser Einsicht begegnen einer_einem mittlerweile endlich in dem einen oder anderen öffentlichen Statement. A long way to go.
Politisch muss es um die Mobilisierung von Widerstand gegen rassistische wie nationalistische Grenzregime gehen, um ein Durchbrechen der Rassismen im Flüchtlingsdiskurs in Österreich und anderswo: Dies wurde in den letzten Wochen bei vielen Veranstaltungen und Kundgebungen thematisiert. Dranbleiben! Geistes- und Sozialwissenschafter_innen im deutschsprachigen Raum erinnern sich ihrer neueren oder älteren Forschungsarbeiten; daran, dass sie eigentlich schon seit Jahrzehnten mehr oder weniger Profundes zu Flucht, Migration, „Fremdheit“ und internationalen Missverhältnissen zu sagen/zu schreiben hatten. (Manchmal sogar zusammen mit nicht-mehrheitsösterreichischen/-deutschen Kolleg_innen …) Wäre alles besser, wenn sie, wenn wir gelesen würden? Der Wissenschaftsblog Krosworldia ruft kritische Forscher(_innen) zur „Blogparade #refhum: Flüchtlinge und Migration in den Geisteswissenschaften“ auf, adressiert dabei allerdings nur jene, die sich im generischen Maskulinum wiederfinden möchten. Schade.
Die Universitäten launchen mit MORE ein Programm mit Kursen u. ä. für Asylwerber_innen und Asylberechtigte: naja, entwicklungsoffen … Als @feminIEsta auf Twitter darauf hinwies, dass wohl nicht nur potenzielle Studis geflüchtet sind, sondern auch Wissenschaftler_innen, denen doch ebenfalls eine Adressierung gelten sollte, fragte die größte und älteste (ja, die) österreichische Uni zurück: „Wie meinst du das?“ Nicht gerade überzeugend, was ein Begreifen von Stereotypisierungen und subtilem Othering anbelangt (und, nebenbei gesagt, reichlich respektlos gegenüber „Unbekannten“, die offenbar automatisch geduzt werden).
Unabhängig davon, ob eine_r jetzt nach wie vor oder erstmals oder doch gar nicht Nachtdienste macht am Bahnhof, Essen in die Halle bringt, Hygieneartikel ins Lager schickt, Konvoi-Routen eruiert, sein_ihr Arabisch verbessert und so weiter: die Thematisierungen dessen, worum es da überhaupt geht, bleiben unbefriedigend. Als entwicklungskritische postkoloniale feministische queere antiableistische antirassistische Aktivist_innen und Wissenschaftler_innen können wir gar nicht oft genug darauf beharren, dass es bei „Refugees“ aus „Syrien“, dem „Irak“ (und und) nicht allein um eine In-den-Blick-Nahme der flüchtenden/vertriebenen/reisenden Individuen oder Familien geht, sondern immer auch um Kolonialismus- und Rassismusgeschichte, um internationale Kriegspolitiken und die Struktur globaler Wirtschaftsinteressen. Um höchst problematische, paternalistische und eurozentrische „Hilfe“-, „Rettungs“- „Menschlichkeits“- und „Charity“-Diskurse, wie wir sie aus dem Kontext der Entwicklungskritik ja schon lange kennen. Nicht-normative Selbstverständnisse aller beteiligten Subjekte – Refugees, Schlepper_innen, „Helfer_innen“, politische Intervenient_innen – wahrnehmbar zu halten, wäre schon viel wert. Die flüchtigen und die gebliebenen Akteur_innen sprechen selbst und müssen gehört werden: eh klar. Fortsetzung folgt.