Antirassistische Perspektiven bilden ein wesentliches Element postkolonialer, feministischer, queerer Analyse mit Blick auf „Entwicklungs“-Kritik. Die folgenden Lesetipps legen einen Schwerpunkt auf Theoretisierungen und Demontagen weißer Dominanz, also auf Ansätze der Critical Whiteness Studies.
Unbedingt zu erinnern ist übrigens an die „UNO-Weltkonferenz gegen Rassismus, rassische Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und vergleichbare Intoleranz“ in Durban im September 2001. Rassistische Strukturen und rassistische Gewalt im Entwicklungskontext waren besprechbar geworden – in Ansätzen, zumindest, und in einigen spannenden Publikationen. Jedenfalls aus historischen Gründen nach-lesenswert ist der damalige Versuch der österreichischen EZA, bei einem „Antirassistischen Studientag“ im Juni 2001 Rassismen zu thematisieren: Die Arbeitsgemeinschaft Entwicklungszusammenarbeit lud mit ein ( Kurzbericht), die Frauensolidarität berichtete, und auch Araba Johnston Arthur veröffentlichte einen kritischen Kommentar.
Heron, Barbara (2007): Desire for Development. Whiteness, Gender, and the Helping Imperative. Waterloo: Wilfrid Laurier Univ. Press
„Heron reveals how the desire for development is about the making of self in terms that are highly raced, classed, and gendered, and she exposes the moral core of this self and its seemingly paradoxical necessity to the Other. The construction of white female subjectivity is thereby revealed as contingent on notions of goodness and Othering, played out against, and constituted by, the backdrop of the North-South binary“ (Klappentext).
BER e.V. (Hg.) 2012): Wer anderen einen Brunnen gräbt ... Rassismuskritik // Empowerment // Globaler Kontext. Berlin
Die Broschüre des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlages befasst sich mit dem Zusammenhang von Rassismus und EZA und versammelt zahlreiche Kurztexte zu Schlüsselbegriffen wie Rassismus, Exotismus oder Empowerment.
Kothari, Uma (2006): An Agenda for Thinking about „Race“ in Development. In: Progress in Development Studies, 6, 1, 9-23 (Text ist hier online verfügbar)
In diesem kurzen einführenden Aufsatz geht die renommierte Entwicklungswissenschafterin Uma Kothari von einer Kritik am institutionellen Schweigen rund um „race“ im Entwicklungskontext aus. Sie skizziert verschiedene Handlungsfelder in der Developmentpraxis, in denen Rassismus und weiße Dominanz wirksam werden.
Bosch, Mineke / Hacker, Hanna (Hg.) (2005): Whiteness. (Schwerpunktheft von) L’Homme. Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft, 16, 2
Feministische Historiker_innen befassen sich hier unter anderem mit Race- und Gender-Politiken in Südafrika, mit der Rolle von Männlichkeitskonstruktionen in Whiteness-Analysen sowie mit Überschneidungen zwischen Critical Whiteness Studies und feministischer Theorie.
Eggers, Maureen Maisha et al. (Hg.) (2005): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinforschung in Deutschland. Münster: Unrast
Umfangreicher Sammelband mit über vierzig Beiträgen, überwiegend aus Schwarzer Perspektive verfasst, die die im Erscheinungszeitraum innerhalb der genderkritischen deutschsprachigen Wissenschafter_innenszene sehr hitzig geführte Whiteness-Debatte aufgriffen und vorantrieben.
Dietze, Gabriele/Brunner, Claudia/Wenzel, Edith (Hg.) (2009): Kritik des Okzidentalismus. Transdisziplinäre Beiträge zu (Neo-)Orientalismus und Geschlecht. Bielefeld: Transcript
Die Texte dieses Bandes arbeiten mit dem von Fernando Coronil geprägten Begriff des Okzidentalismus und seiner Kritik: Okzidentalismuskritik könne die antirassistische Analyse zum Whiteness-Paradigma wesentlich ergänzen und erweitern, und es lohne sich, die „theoretischen Nachbarschaften“ etwa zu Postkolonialismus und Feminismus (Beitrag Ina Kerner) oder zu queerer Homonationalismuskritik (Beitrag Jasbir K. Puar) genauer zu betrachten.
Goudge, Paulette (2003): The Whiteness of Power. Racism in Third World Development and Aid. London: Lawrence & Wishart
Vor dem Hintergrund eigener EZA-Erfahrung im Nicaragua der 1980er Jahre macht sich die Autorin an eine systematische Reflexion entwicklungspolitischer (Miss-)Verhältnisse. Dass sie dabei ihre – tendenziell nicht ganz neue – Kritik an Development-Strukturen und -Praktiken von der Perspektive rassialisierter Machtverhältnisse her aufrollt, war zum Erscheinungszeitpunkt ein durchaus sehr neuer Ansatz.
Filmtipp: „White Charity. Schwarzsein & Weißsein auf Spendenplakaten.“ (Carolin Philipp, Timo Kiesel), 49 min. Online verfügbar hier.